Eine lange Fahrt
Von Medan brechen wir auf in Richtung Westen, zum Gunung Leuser Nationalpark, wo wir die nächsten Tage verbringen werden.
Unsere erste Station am Rande des Nationalparks wird Taklahan sein. Zirka 80 km Fahrt, für dir wir sage und schreibe vier Stunden benötigen. Denn zunächst müssen wir uns durch den heftigen Stadtverkehr kämpfen. Als wir meinen, endlich aufatmen zu können, wird uns ganz schnell bewusst: Schneller wird’s jetzt auch nicht. Die Straßen sind in einem schlechten Zustand und ständig müssen wir tiefen Schlaglöchern ausweichen. Wir werden ganz schön durchgeschüttelt.
Die grüne Wüste offenbart sich
Kaum haben wir städtisches Gebiet verlassen, schon säumen Plantagen den Straßenrand. Soweit das Auge reicht: ein paar Zuckerrohrfelder, lange Reihen von Kautschukbäumen, aber vor allem und überall: Palmölplantagen. Wohin man auch sieht. Kilometer für Kilometer. So richtig bewusst wird einem die riesige Fläche an Regenwald, die weichen musste, erst wenn man es hautnah miterlebt. Ölpalmen links und Ölpalmen rechts. Es macht betroffen.
Von der Palme zur Fabrik
Hin und wieder kommt uns ein Fahrzeug entgegen. Man könnte glatt Wetten abschließen: denn es handelt sich fast immer um einen LKW voll beladen mit den pflaumengroßen Steinfrüchten der afrikanischen Ölpalme Elaeis guineensis. Die Fruchtstände, in denen sich oft hunderte Früchte zusammenballen, werden von Arbeitern abgeschlagen und am Wegesrand deponiert. Dort werden sie auf LKWs verladen und in die nächstgelegene Fabrik gebracht.
Von der Frucht zum Öl
Nach der Sterilisierung mit Dampf, die notwendig ist, um ein Enzym unschädlich zu machen, das das Palmöl ansonsten ranzig werden ließe, werden die Früchte aufgebrochen und gekocht. Das Öl wird aus dem Fruchtfleisch gepresst. Der Nebeneffekt: Bei diesem Prozess fallen Abwasserfluten mit einem enormen Anteil an organischen Stoffen an. Bei deren Verrottung entstehen riesige Mengen des Treibhausgases Methan. Soviel dazu, dass es sich beim Palmöl um ein umweltfreundliches Bioprodukt handelt. Aus den Kernen übrigens, die im Anschluss mechanisch zerstückelt werden, wird das teure Palmkernöl gewonnen.
Nutzpflanze des Jahrhunderts
Das Fett der Ölpalme übertrumpfte 2005 mit der sagenhaften Produktionsmenge von 34 Millionen Tonnen erstmals den bisherigen Spitzenreiter Sojaöl und wurde das weltweit wichtigste Pflanzenöl. Die Ölpalme ist schnellwüchsig und bereits nach 3 Jahren früchtetragend. Keine andere Wirtschaftspflanze produziert so viel Öl pro Hektar Anbaufläche. Kein anderes Pflanzenöl ist so billig.
Wäre wunderbar, wenn es nicht die Kehrseite der Medaille gäbe. Denn der flächendeckende Anbau der Ölpalme ist eine Katastrophe für Artenvielfalt und Weltklima.
Vom Regenwald zur Grünen Wüste
Es war einmal ein Tiefland-Regenwald in Indonesien. In Sumatra. Oder auch in Borneo. Doch dann wird das Land verkauft – denn die Ölpalme gedeiht nur im subtropischen Flachland. Zunächst werden die Baumarten gefällt und abtransportiert, die wirtschaftlich nutzbar sind. Der Rest wird abgebrannt. Oftmals illegal. Manchmal ufert das Feuer aus, ganz unabsichtlich natürlich. Und so können noch größere Plantagen entstehen, denn was soll man denn sonst mit den abgebrannten Flächen machen?
Mittlerweile ist Brandrodung zur Landgewinnung für Plantagen strafbar. Nur bereits degradiertes Land darf dafür genutzt werden. Kein Primärwald. Doch diesem Gesetz wird viel zu selten Beachtung geschenkt. Vielleicht leitet aber ein historischer Präzedenzfall ein Umdenken ein: im Januar 2014 wurde ein großer Palmölhersteller vom indonesischen Gericht zu einer Strafe in Millionenhöhe verurteilt.
Auswirkungen der Plantagenwirtschaft
Grüne Wüsten entstehen. Fast 90 % aller Palmölplantagen befinden sich in Indonesien und Malaysia. Besonders betroffen sind die Inseln Borneo und Sumatra. Aufgrund der starken Nachfrage will Indonesien die Ölpalmen-Plantagen bis 2025 von derzeit zehn Millionen Hektar auf 26 Millionen Hektar vergrößern. Flächen von der Größe von 300 Fußballfeldern fallen stündlich neuen Plantagen zum Opfer.
Der Lebensraum von unzähligen seltenen Wildtieren wird zerstört: Orang-Utans, Sumatra-Tiger, Sumatra-Elefanten und Sumatra-Nashörner stehen kurz vor der Ausrottung. Pflanzen, zum Teil noch unerforscht, werden ausgerottet und damit eine unschätzbare Schatzkammer. Menschen leiden am Rauch der brennenden Wälder. Sie haben Hunger, weil mit dem Regenwald die Waldfrüchte und auch die Fleischlieferanten schwinden. Sie haben Durst, da mit dem Regenwald auch die Wasserquellen schwinden. Es gibt kaum mehr Fische, da die Flüsse durch die Abwässer der Palmölfabriken in Kloaken verwandelt werden. Selbst das Argument, die Plantagen schaffen Arbeitsplätze, zieht nicht. Denn die Plantagenarbeiter sind schlecht bezahlt und erkranken, weil sie ungeschützt Gift spritzen müssen, um Ölpalmen-Sämlinge zu schützen.
Du meinst jetzt vielleicht: „Ich kaufe kein Palmöl, mich betrifft das nicht!“ Falsch gedacht. Palmöl ist Bestandteil in tausenden Alltagsprodukten: in Backfett und Frittierfett, in Margarine und Speiseeis, in Suppen, Gewürzen und Fertiggerichten, in Kosmetika, Seifen, Wasch- und Putzmitteln oder – Ironie - als Biokraftstoff für Autos. Gut versteckt, denn es besteht keine Kennzeichnungspflicht. In der Regel könnt ihr davon ausgehen: Wo Pflanzenfett draufsteht, ist Palmöl drinnen. Glücklicherweise soll sich Ende 2014 etwas ändern: Hersteller müssen dann angeben, ob sich Palmöl in ihrem Produkt befindet. Damit können Verbraucher zukünftig mit ihrem Kaufverhalten dazu beitragen, den Regenwald zu schützen.
Quellenangabe:
Ich habe in Vorbereitung für meine Sumatrareise viel gelesen. Bücher. Internetartikel. Universitäre Publikationen. Ich habe in Sumatra selbst viel Information eingeholt. Mit Ranchern gesprochen. Mit Biologen. Es ist mir mittlerweile nicht mehr möglich, zu sagen, welche Information von welcher Quelle stammt. Ein Buch im Speziellen hat mich tief beeindruckt und ist sicherlich mit eingeflossen in diesen Blogbeitrag: Die Denker des Dschungels. Der Orangutan-Report. Von Gerd Schuster, Willie Smits, Jay Ullal.